BSV 2015 - Änderungen im Überblick
Per 1. Januar 2015 wurden die Brandschutzvorschriften massgeblich überarbeitet, was zahlreiche Liberalisierungen bringt. In der Brandschutznorm bleibt das bisherige Sicherheitsniveau im Personenschutz unverändert, beim Sachwertschutz setzen die neuen Vorschriften auf eine wirtschaftliche Optimierung.
Mit den neuen Vorschriften sinken die Baukosten für Brandschutzmassnahmen tendenziell. Bei Neubauten wird der Anteil des baulichen Brandschutzes kleiner; die Anteile des technischen und organisatorischen Brandschutzes nehmen zu.
Die Liberalisierung – in Kombination mit der wachsenden Komplexität der Bauten – stellt höhere Anforderungen an die Projektierung, Realisierung und Qualitätssicherung. Auch Unterhalt und Wartung werden anspruchsvoller. Dies fordert Eigentümer und Betreiber. Sie sind dafür verantwortlich, dass der realisierte Brandschutz über die gesamte Nutzungsdauer erhalten bleibt. Dies bedingt eine umfassende Qualitätssicherung. In der Brandschutznorm sind deshalb neu die Grundsätze für die Qualitätssicherung und für Nachweisverfahren geregelt.
Die wichtigsten Änderungen
Alternativkonzepte
Neue Brandschutzrichtlinie 27-15 «Nachweisverfahren im Brandschutz»
Bei der Mehrheit der Bauprojekte sind die Standardkonzepte, die in den Brandschutzvorschriften verankert sind, die wirtschaftlichste und einfachste Lösung. Für spezielle Projekte, bei denen die Standardkonzepte ungeeignet sind, können Alternativkonzepte bewilligt werden. Die Brandschutzvorschriften 2003 haben diese Alternativkonzepte bereits ermöglicht, neu sind sie in den Vorschriften verbindlich verankert.
Nachweis für Alternativkonzepte
Bei Alternativkonzepten muss die Erfüllung der Schutzziele mit einer Beurteilung von Brandgefahr und Brandrisiko nachgewiesen werden. Prozess, Form, Inhalt und nötige Dokumente für den Nachweis sind in der neuen Brandschutzrichtlinie geregelt.
Pflicht zur Qualitätssicherung
Neue Brandschutzrichtlinie 11-15 «Qualitätssicherung im Brandschutz»
Mit den neuen Brandschutzvorschriften wird die Pflicht zur Qualitätssicherung für alle Neu- und Umbauten eingeführt. Die neue Brandschutzrichtlinie definiert die minimalen Massnahmen in allen Phasen – von der Planung über die Realisierung bis zum Betrieb von Bauten und Anlagen.
Vier Qualitätsstufen
Je nach Nutzung, Gebäudegeometrie, Bauweise und besonderen Brandrisiken ordnet die Brandschutzbehörde jedem Gebäude oder Gebäudebereich eine Qualitätssicherungsstufe von QSS 1 bis QSS 4 zu. Kleine, einfache Bauten mit wenig Nutzungseinheiten und keinen erhöhten Brandrisiken fallen in QSS1; grosse, komplexe Bauten mit hohen Brandrisiken werden in QSS 4 eingeteilt. Die Zuordnungstabellen sind Bestandteil der Richtlinie.
Projektorganisation
Für alle Neu- oder Umbauten ist eine entsprechende Projektorganisation aufzubauen. Ab QSS 2 muss ein von der VKF anerkannter Brandschutzfachmann oder eine Person mit einer vergleichbaren Ausbildung das Projekt als QS-Verantwortlicher Brandschutz begleiten.
Umsetzung
Die Massnahmen zur Umsetzung der Qualitätssicherung sind abhängig von der jeweiligen Qualitätsstufe. Aufgaben und Verantwortlichkeiten der Beteiligten sowie die Prozesse sind in der Richtlinie definiert. Für die entsprechende Ausbildung der Fachleute gilt eine Übergangsfrist von fünf Jahren.
Gebäudegeometrie
Neu werden die Brandschutzmassnahmen nicht mehr aufgrund der Anzahl Geschosse, sondern aufgrund der Gebäudegeometrie in Bezug zur Gebäudehöhe festgelegt. Die Einstufung der Gebäudehöhen orientiert sich an den Möglichkeiten der Brandbekämpfung durch die Feuerwehr.
Höhere Grenze für Hochhäuser
Damit Gebäude mit Steildächern keine Verschärfung erfahren, wurde die Hochhausgrenze von 25 m auf 30 m erhöht. Für Gebäude mit Flachdach bedeutet dies eine Erleichterung: Es können ein bis zwei Stockwerke mehr erstellt werden, ohne dass das Gebäude als Hochhaus gilt.
Neue Gebäudekategorie
Für kleinere Gebäude ist neu die Kategorie «Gebäude mit geringen Abmessungen» definiert. Bei Bauten dieser Kategorie werden keine Anforderungen mehr an den Feuerwiderstand von Tragewerken, Wänden und Decken gestellt, ausgenommen bei speziellen Nutzungen.
Die neuen Gebäudekategorien sind in der 1-15 Brandschutznorm und in der Brandschutzrichtlinie 10-15 «Begriffe und Definitionen» festgelegt.
Flucht- und Rettungswege
Überarbeitung Brandschutzrichtlinie 16-15 «Flucht- und Rettungswege»
Die zulässige Fluchtwegdistanz ist neu 35 m anstatt 20 m, ohne Aufteilung in Raum und Korridor und unabhängig von der Anzahl der Ausgänge. 20 m sind nur noch nutzungsbezogen vorgeschrieben: bei Kindertagesstätten, Verkehrswegen in Verkaufsgeschäften und bei Institutionen, in denen 20 oder mehr Personen, die auf fremde Hilfe angewiesen sind, beherbergt werden (z. B. Heime).
Alternative Berechnungsmethoden
Bei objektbezogenen Fragestellungen können neu in Abstimmung mit der Brandschutzbehörde für einzelne Bereiche einer Baute oder Anlage alternative Berechnungsmethoden eingesetzt werden.
Effektive Ausgangsbreite
Nach den bisherigen Richtlinien war die Breite von Ausgängen mit mehr als 1.2 m auf das nächste Vielfache von 0.6 m aufzurunden. Diese Bestimmung entfällt. Das heisst, es wird die effektive Ausgangsbreite angewendet.
Weniger Treppenhäuser
Neu wird die Anzahl der Treppenanlagen nicht mehr von der Geschossfläche bestimmt. Bis 900 m² ist nur noch eine Treppenanlage erforderlich. Über 900 m² Geschossfläche sind die Treppenanlagen aufgrund der vorgegebenen maximal zulässigen Fluchtwegdistanzen zu erstellen (nicht mehr aufgrund von Flächeneinheiten). Dadurch sind in vielen Fällen weniger Treppenhäuser nötig.
Die neue Brandschutzrichtlinie 16-15 «Flucht- und Rettungswege» ist schlanker: Bestimmungen, die nicht direkt zum Thema gehören, wurden weggelassen und in den Richtlinien zum jeweiligen Thema geregelt.
Baustoffe und Bauteile
Überarbeitung Brandschutzrichtlinie 13-15 «Baustoffe und Bauteile», neue Brandschutzrichtlinie 28-15 «Anerkennungsverfahren»
Neu sind für Bauprodukte vier Brandverhaltensgruppen und deren Anwendungen definiert:
- RF1: kein Brandbeitrag
- RF2: geringer Brandbeitrag
- RF3: zulässiger Brandbeitrag
- RF4: unzulässiger Brandbeitrag
Zuordnung der Bauprodukte
Welchen Brandverhaltensgruppen die Bauprodukte nach den europäischen Klassifizierungen (SN EN 13501-1) und nach den bestehenden VKF-Klassifizierungen (BKZ) angehören, ist in den Zuordnungstabellen (Abschnitt 2.4) zu finden. Fehlende und neu entstandene Baustoff- und Bauteilklassifizierungen sind integriert.
Klassifizierung von Systemen
Neu sehen die Vorschriften nicht nur schichtweise Prüfungen von Baustoffen, sondern auch Systemklassifizierungen vor.
Anerkennung neuer Produkte
Die neue Brandschutzrichtlinie 28-15 «Anerkennungsverfahren» regelt das Verfahren zur Anerkennung von Brandschutzprodukten und von Fachfirmen und Fachpersonen, die im Brandschutz tätig sind.
Verwendung von Baustoffen
Überarbeitung Brandschutzrichtlinie 14-15 «Verwendung von Baustoffen»
Die Brandschutzrichtlinie nimmt Bezug auf die Brandverhaltensgruppen RF1 bis RF4 und berücksichtigt die neuen Regelungen bezüglich der Einteilung aufgrund der Gebäudegeometrie.
Das Sicherheitsniveau orientiert sich an der bisherigen Richtlinie. Anpassungen erfolgten durch die Berücksichtigung von automatisch auslösenden, stationären Wasserlöschanlagen sowie aufgrund der in den letzten Jahren insbesondere im Bereich Wärmedämmung stark geänderten Bauweise.
Kapselungen
Neu sind Kapselungen mit brennbarem Kern möglich.
Kabel und Schaltgeräte
Neu geregelt ist der gesamte Bereich der Kabel und Schaltgerätekombinationen. Die Vorschriften sind abgestimmt mit der TK 64 des Schweizerischen Elektrotechnischen Komitees (CES).
Tragwerke und Brandabschnitte
Zusammenfassung zweier Brandschutzrichtlinien in 15-15 «Brandschutzabstände Tragwerke Brandabschnitte»
Die zwei bisherigen Brandschutzrichtlinien «Tragwerke» und «Schutzabstände – Brandabschnitte» sind neu in einer zusammengefasst. Brandmauern sind in der separaten Brandschutz-erläuterung 100-15«Brandmauern» geregelt.
Trennung Feuerwiderstand und Brennbarkeit
Eine wesentliche Änderung ist die materialneutrale Darstellung. Die Angaben über die Tragwerke resp. über die Brandabschnitte werden anhand der Feuerwiderstandsdauer gemacht – brennbar oder nichtbrennbar ist kein Kriterium mehr.
Lockerung im Holzbau
Die materialneutrale Darstellung bringt eine Lockerung bei Holzbauten. Neu können Gebäude bis zur Hochhausgrenze in brennbarer Bauweise erstellt werden.
Regelung nach Gebäudegeometrie
Mit der Unterscheidung der Gebäude nach der Gebäudegeometrie sind bei den Brandschutzabständen unterschiedliche Regelungen möglich. Die Brandschutzabstände und die Grösse der Brandabschnittsflächen wurden angepasst und sind detaillierter geregelt.
Lockerung im Industrie-und Gewerbebereich
Die mögliche Brandabschnittsgrösse ist in diesem Bereich in einzelnen Fällen um bis zu 50 % grösser als bisher. Bei einer Unterschreitung der Schutzabstände sind neu mögliche Ersatzmassnahmen geregelt.
Zusammenfassung zu Arealflächen
Mehrere kleinere Nebenbauten können zu einer Arealfläche zusammengefasst werden und damit die Brandschutzabstände reduziert resp. vernachlässigt werden. Auch bei Büro-, Gewerbe- und Industriebauten ist damit eine Reduktion der Brandschutzabstände möglich.
Keine Regelungen für Einfamilienhäuser
Für Einfamilienhäuser bestehen keine Vorschriften mehr betreffend Brandabschnittsbildung zwischen Garage und Wohnhaus oder Heizung und Wohnhaus (ausser bei Holzzentralheizungen). Ausserdem werden keine Anforderungen an den Feuerwiderstand von Tragwerken, Wänden und Decken gestellt.
Anpassungen weiterer Richtlinien
10-15 «Begriffe und Definitionen»
Bisher waren die verwendeten Begriffe in den jeweiligen Richtlinien im Verzeichnis «Begriffe» aufgeführt. Neu sind alle verwendeten Begriffe in der übergeordneten Brandschutzrichtlinie «Begriffe und Definitionen» festgehalten.
12-15 «Brandverhütung und organisatorischer Brandschutz»
Die Brandschutzrichtlinie fokussiert nur noch auf den organisatorischen Brandschutz. Regelungen aus anderen Brandschutzrichtlinien zu diesem Thema wurden integriert. Neu sind die Regelungen zu Teilinbetriebnahmen, Umbauten im laufenden Betrieb und sprachgesteuerten Informationssystemen.
17-15 «Kennzeichnung von Fluchtwegen Sicherheitsbeleuchtung Sicherheitsstromversorgung»
Der Stand der Technik hat sich nicht wesentlich verändert. Die Anpassungen beschränken sich auf wenige Punkte: Bestehende Unklarheiten wurden ausgeräumt und die Regelungsdichte wurde wo möglich zugunsten der einfacheren Handhabung reduziert.
18-15 «Löscheinrichtungen»
Veraltete Zoll-Masse für Leitungsdimensionen sind durch die aktuellen metrischen Masse ersetzt. Im Anhang sind neue Tabellen enthalten; bestehende sind angepasst.
19-15 «Sprinkleranlagen» und 20-15 «Brandmeldeanlagen»
Die beiden Brandschutzrichtlinien wurden bereits 2011 revidiert. Gegenüber dieser Version wurden nur formelle Anpassungen gemacht.
21-15 «Rauch- und Wärmeabzugsanlagen»
Neu wird zwischen Anlagen mit und ohne Leistungsnachweis unterschieden. Tabellen zeigen die möglichen Anlagen für die verschiedenen Nutzungen. Die bisher allgemeinen Anforderungen an Anlagen sind konkretisiert. Zudem sind die Anforderungen an Konzepte für die verschiedenen Arten von Rauch- und Wärmeabzugsanlagen festgelegt.
22-15 «Blitzschutzsysteme»
Die Anlagetechnik bei Blitzschutzsystemen hat sich nicht wesentlich verändert. Im Anhang ist neu die Tabelle zur Notwendigkeit von Blitzschutzsystemen enthalten, die als Publikation des VKF den Brandschutzbehörden zugestellt wurde.
23-15 «Beförderungsanlagen»
Diese Brandschutzrichtlinie ersetzt die bisherige Brandschutzrichtlinie «Aufzugsanlagen». Neu sind die Bestimmungen für Feuerwehraufzüge integriert. Dabei wurden die EN-Normen mitberücksichtigt. In Abweichung zu den EN-Normen verlangt die Brandschutzrichtlinie wie bisher grössere Abmessungen für Notausstiegsklappen. Zudem wird bei der Rettung aus Feuerwehraufzugsanlagen auf die Selbstrettung gesetzt.
24-15 «Wärmetechnische Anlagen»
Bei Betrieb mit gasförmigen oder flüssigen Brennstoffen für die Raumheizung und Warmwasseraufbereitung dürfen nur noch kondensierende Feuerungsaggregate eingesetzt werden. So wird die Luftreinhalteverordnung eingehalten und Russbrände können fast ausgeschlossen werden. In der Brandschutzrichtlinie sind die Anforderungen an solche wärmetechnischen Anlagen reduziert.
25-15 «Lufttechnische Anlagen»
Der Stand der Technik hat sich wesentlich verändert. Der Minergie-Standard, der heute bei Neubauten meistens angewandt wird, fordert möglichst dichte Gebäudehüllen. In Räumen, in denen sich Personen aufhalten, wird die Luft mit kontrollierten Lüftungsanlagen ausgetauscht. Dabei werden meist Anlagen mit Wärmerückgewinnung eingesetzt. Die Brandschutzrichtlinie ist an diese neuen Anforderungen angepasst.
26-15 «Gefährliche Stoffe»
Die beiden Brandschutzrichtlinien «Gefährliche Stoffe» und «Brennbare Flüssigkeiten» sind in einer zusammengefasst. Die gefährlichen Stoffe sind neu nach GHS (Global Harmonisiertes System) klassifiziert. Damit werden die Gefahren von Chemikalien weltweit mit denselben Symbolen und Hinweisen kommuniziert.